Einrichtung der Landeszahnärztekammer (LZK) Baden-Württemberg, Körperschaft des öffentlichen Rechts

Hat regelmäßige Prophylaxe Einfluss auf die Entstehung von Parodontitis?

Gepostet am 20. Februar 2020

Parodontale Primärprävention

 

Die Erkrankungslast von Parodontalerkrankungen in Deutschland ist nach wie vor hoch. Bezüglich der Prophylaxe von parodontalen Erkrankungen ist weiterhin fraglich und auch Gegenstand öffentlicher Diskussionen, welchen Stellenwert eine verbesserte häusliche Mundhygiene und welchen die professionelle Zahnreinigung hat oder ob die Kombination von beiden sinnvoll und erforderlich ist. Neben der Diskussion dieser Fragestellung soll im folgenden Artikel auch ein möglicher Ablauf der professionellen Zahnreinigung in Verbindung mit der individuellen Instruktion des Patienten im Sinne einer parodontalen Primärprävention dargestellt werden. Dazu findet die nötige Abgrenzung zur unterstützenden Parodontitistherapie statt.

Einleitung

Die Zahl der Menschen mit Parodontalerkran­kungen nimmt in Deutschland ab – dies ist ein er­freuliches Ergebnis der Fünften Deutschen Mund­gesundheitsstudie (DMS V), die im Jahr 2016 veröffentlicht wurde. Dennoch bleibt die Er­krankungslast von Parodontalerkrankungen in der Bevölkerung hoch. So leiden in der Altersgruppe der jüngeren Senioren (65­ bis 74 ­jährige) zwei Drittel der Personen (65 %) an einer parodontalen Erkrankung.

Parodontitis ist altersassoziiert. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Verlagerung chronischer Munderkrankungen in ein höheres Lebensalter ist zukünftig ein steigender Behand­lungsbedarf zu erwarten1.

Parodontitis ist biofilminduziert. So lange Bak­terien und Zähne in der Mundhöhle vorhanden sind, entwickeln sich Biofilme – folglich besteht ein lebenslanges Risiko für die Entwicklung einer Parodontitis. Es erscheint plausibel, dass dieses Risiko minimiert wird, wenn die Biofilme entfernt werden, bevor sie pathogen werden, und dass dies lebenslang erfolgen muss. Insbesondere die Qualität und Präzision der mechanischen Kon­trolle des oralen Biofilms scheinen bei der Präven­tion von Entzündungen des Zahnhalteapparats entscheidend zu sein2. Dies hängt von den ma­nuellen Fertigkeiten, der Motivation und dem Be­wusstsein für die Mundgesundheit der individuel­len Person ab. Mit häuslichen Maßnahmen allein ist eine vollständige Belagsentfernung nur den wenigsten Personen möglich3. Das Risiko für die Entwicklung biofilminduzierter Erkrankungen bleibt bestehen – aus diesem Grund scheint professio­nelle Unterstützung erforderlich. Das legen auch die Ergebnisse der DMS V nahe: Präventive Maß­nahmen wirken sich positiv auf parodontale Er­krankungen aus. Demnach sind „Menschen, die regelmäßig Präventionsangebote in der Zahnarzt­praxis in Anspruch nehmen, seltener von Par­odontitis betroffen. Bei diesen Patienten sind die Parodontalerkrankungen zugleich auch weniger schwer.“1 Ebenso wird auf die nötige Sorgfalt bei der häuslichen Biofilmkontrolle hingewiesen; so kommt insbesondere der Reinigung der Zahn­zwischenräume eine positive präventive Bedeu­tung zu.

Folglich erscheint es konsequent und ziel­führend, dass nahezu alle Zahnarztpraxen eine PZR als präventive zahnärztliche Leistung anbie­ten. Die PZR ist jedoch seit Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen und gehört aufgrund ihrer (vermeintlich) fehlenden Evidenz nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen4. Wie ist dieser Widerspruch zu begründen? Inwie­weit lassen sich parodontale Erkrankungen tat­sächlich durch Prophylaxe in Form von häuslicher Mundhygiene und professioneller Zahnreinigung vorbeugen?

Mundhygieneinstruktion vs. professionelle Zahnreinigung vs. unterstützende Parodontitistherapie

Zunächst erscheint es sinnvoll, die Begriffe MHI, PZR und UPT klar zu definieren. In der öffentli­chen Diskussion werden diese häufig nicht sauber voneinander abgegrenzt und PZR wie ein Über­begriff verwendet. Dabei umfasst die PZR laut Leistungsbeschreibung in der GOZ grundsätzlich (nur) das Entfernen der supragingivalen/gingi­valen Beläge auf Zahn­ und Wurzeloberflächen, das Reinigen der Zahnzwischenräume, das Ent­fernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur sowie die Fluoridierung – nicht aber eine MHI!

Die MHI beinhaltet die Aufklärung des Patien­ten über die Zusammenhänge von bakteriellen Zahnbelägen mit Karies und Parodontitis, das Anfärben der Plaque, die Erhebung von Indizes zur Quantifizierung der Plaquemenge und des Ausmaßes der Gingivitis sowie die Erläuterung von Schwachstellen der häuslichen Mundhygiene und Demonstration von individuell geeigneten Mundhygienemaßnahmen und ­hilfsmitteln für zu Hause.

Daraus folgt, dass eine MHI grundsätzlich für jeden Patienten – unabhängig von dessen Mund­gesundheitszustand – empfehlenswert ist und die individuelle Mundhygiene effektiv und nachhaltig verbessert werden kann. Eine einmalige MHI führt nur im absoluten Ausnahmefall zu lebenslang effektiver häuslicher Mundhygiene5. Die MHI sollte je nach individuellem Putzerfolg und Risiko mehrfach pro Jahr professionell erfolgen.

Bei der PZR muss bereits differenziert werden. Bei der (relativ kleinen) Zielgruppe der parodontal gesunden jungen Erwachsenen ist die PZR offen­sichtlich verzichtbar, da eine Zahnreinigung zu­sätzlich zur MHI keinen zusätzlichen medizini­schen Nutzen bewirkt6. Nicht verzichtbar ist die PZR allerdings bei Patienten mit erhöhtem Karies­ und/oder Parodontitisrisiko, bei Schwächen im individuellen häuslichen Biofilmmanagement trotz MHI und zur Entfernung kosmetisch störender Zahnbeläge (z. B. durch Kaffee, Tee, Rauchen).

Bei Patienten, die bereits an Parodontitis er­krankt sind, sind weiterführende Maßnahmen zu ergreifen. Hier reichen PZR und MHI allein nicht aus. Diese Patienten müssen zunächst syste matisch parodontal therapiert und anschließend mittels UPT kontinuierlich und in der Regel lebenslang nachbetreut werden7-9. Schon die Begrifflichkeit macht deutlich, dass die UPT Teil der Therapie und nicht allein Prophylaxe ist. UPT und PZR sind somit klar voneinander abzugrenzen. Je nach indi­viduellem Patientenrisiko sollte die UPT ein­ bis viermal jährlich erfolgen. Sie beinhaltet die MHI und Motivation des Patienten, die professionelle mechanische Belagsentfernung, die Erhebung des aktuellen Entzündungs­ und Mundhygienezustands, die Erhebung eines parodontalen Befunds (in Ab­hängigkeit von der Häufigkeit der UPT­ Sitzungen:
Erfassung der Sondierungstiefen [ST] mit Bleeding on Probing [BOP] je Sitzung; 1­ bis 2­ mal pro Jahr: Erfassung und Dokumentation eines kompletten Parodontalstatus, je inkl. Vergleich zu Vorbe­funden) und, falls notwendig, die subgingivale Reinigung (wieder­) erkrankter und vertiefter Zahnfleischtaschen. Die UPT beinhaltet somit nicht nur PZR und MHI, sondern geht weit über sie hinaus.

Der Nutzen einer professionellen Unterstützung ist folglich im Einzelfall unterschiedlich! Er hängt zum einen ab von der Quantität und Qualität des individuellen häuslichen Biofilmmanagements, zum anderen von der interindividuell unterschied­lich ausgeprägten Reaktion des Organismus auf den mikrobiellen Angriff und bereits vorhandene Erkrankungen. Entscheidend ist also die individu­elle Mundgesundheitssituation der Patienten, die der Zahnarzt richtig einschätzen und entspre­chende Präventions­ oder Therapieempfehlungen patientengerecht aussprechen sollte10. Daraus ergibt sich die unterschiedliche Intensität und Frequenz der professionellen Unterstützung.

Gibt es Evidenz dafür, dass regelmäßige Prophylaxe Parodontitis verhindert?

Es ist Evidenz vorhanden, dass sich durch gute Mundhygiene und regelmäßige prophylaktische Maßnahmen bei Patienten in Langzeitbetreuung stabile kariologische und parodontologische Ver­hältnisse erreichen lassen11,12.

Eine Verbesserung der Mundhygiene in der Bevölkerung scheint Langzeitbeobachtungen von Kohorten zufolge mit einer abnehmenden Präva­lenz von Parodontitis zusammenzuhängen13,14. Demnach konnte in zwei Langzeitstudien aus Skandinavien über 30 Jahre (1973 bis 2003) eine Reduktion der Plaque­ und Gingivitiswerte be­obachtet werden – gleichzeitig nahmen die Häufigkeit von Parodontitis sowie das Ausmaß des alveolären Knochenverlusts ab. Zudem nahm über diesen Zeitraum gemäß der sogenannten Jönköping­Studie die Anzahl der erhaltenen Mo­laren in allen Altersgruppen von 20 bis 80 Jahren zu13. Eine ähnliche Studie aus Oslo zeigte über den gleichen Zeitraum entsprechende Ergebnisse bei Personen im Alter von 35 Jahren 14. Kressin et al. beobachteten in einer 26­ jährigen Longitudinal­studie ein um 49 % reduziertes Risiko des Zahn­verlusts bei Patienten, die angaben, regelmäßig Zähne zu putzen, im Vergleich zu Patienten, die dies nicht taten15.

Dennoch ist eine Aussage über einen Langzeit­nutzen der Prophylaxe kaum möglich. Auch wenn die genannten Langzeitstudien suggerieren, dass eine gute Mundhygiene mit stabilen oralen Ver­hältnissen korreliert, so fehlt der Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne prophylaktische Maßnah­men, um die Bedeutung von häuslicher wie pro­fessioneller Mundhygiene genau evaluieren zu können. Langzeitdaten mit einer vergleichenden Kontrollgruppe ohne prophylaktische Maßnah­men sind kaum vorhanden und der Umfang dieser Maßnahmen ist sehr unterschiedlich2.

Um den Effekt unterschiedlicher prophylakti­scher Maßnahmen besser beurteilen zu können, beobachteten Hugoson et al. in einer randomi­sierten kontrollierten Studie 400 Patienten im Alter von 20 bis 27 Jahren mit Gingivitis bzw. be­handelter Parodontitis über drei Jahre6. Die Patienten wurden in vier Gruppen zu je 100 Per­sonen aufgeteilt, wobei eine Gruppe als Kontroll­gruppe ohne prophylaktische Maßnahmen und drei Gruppen als Testgruppen dienten. Vier ver­schiedene Prophylaxeprogramme bei den Test­gruppen mit entweder reiner Instruktion oder zu­sätzlicher professioneller Zahnreinigung in kurzen (2­monatigen) Abständen, individuelle Instruktion oder Gruppenprophylaxe in höheren Intervallen wurden anhand von parodontalen Surrogat­parametern wie Plaque und Zahnfleischblutung/Entzündung untereinander und mit der Kontroll­gruppe verglichen. Alle Testgruppen in dieser Studie zeigten über drei Jahre bessere Ergebnisse bezüglich der Plaque­ und Gingivitisparameter als die Kontrollgruppe. Am besten schnitt die Gruppe ab, die individuelle Instruktionen alle zwei Monate erhielt – eine ergänzend ausgeführte professio­nelle Zahnreinigung brachte keinen klinischen Be­nefit gegenüber der reinen Instruktion.

Um tatsächlich eine parodontal präventive Wirkung entsprechend dem durch Parodontitis bedingten Attachment­ bzw. Zahnverlust be­obachten zu können, wäre bei den gegebenen jungen Probanden ein noch längerer Beobach­tungszeitraum wünschenswert, was aus ethischen und organisatorischen Gründen jedoch schwierig ist. Außerdem besteht das Problem, dass durch die alleinige Teilnahme an einer Untersuchung das Verhalten der Probanden beeinflusst wird (Hawthorne­Effekt). Es ist zu erwarten, dass die Anstrengungen und Compliance verstärkt werden und damit das Ergebnis gegenüber einer unbeob­achteten Gruppe verbessert wird. Dazu kommt, dass die erzielbaren und messbaren Unterschiede jedoch umso kleiner werden, je besser sich die Ausgangssituation darstellt. Daraus folgt, dass es mit dem o. g. Studiendesign von Hugoson et al. ausgesprochen schwierig ist, überhaupt einen Unterschied zwischen den verschiedenen Pro­phylaxeprogrammen zu zeigen. Anders formuliert lässt das Fehlen eines signifikanten Unterschieds in der genannten Studie daher nicht den Schluss zu, dass intensivere Prophylaxemaßnahmen nicht doch einen positiven Effekt haben – auch mit Blick auf andere Patientenkollektive wie ältere Patienten.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Studien zum Thema professionelle Zahnreinigung im Wesentlichen dann einen Nutzen zeigen, wenn bereits klinische Erkrankungszeichen vorhanden sind, während ein Nutzen beim klinisch parodon­tal Gesunden (aufgrund Fehlens anderer valider Möglichkeiten präklinischer Befunderhebung/Frühdiagnostik) nur schwer abgeleitet werden kann16.

Somit bleibt – bei parodontal gesunden Patien­ten – fraglich, welchen Nutzen die Zahnreinigung hat und welchen die Mundhygieneinstruktion oder ob eine Kombination erforderlich ist6,17. In einer aktuellen Übersichtsarbeit von Needleman et al. zeigt sich jedoch, dass eine reine PZR ohne MHI nur geringen Nutzen in Bezug auf die gin­givale Gesundheit hat und dass kürzere Recall­intervalle gegebenenfalls weniger jährlichen Attachmentverlust bedeuten18.

Werden also ausschließlich Patienten ohne Par­odontitis beobachtet, ist der langfristige Nutzen der PZR zur Parodontititsprophylaxe nicht ganz eindeutig bzw. übertrifft den Nutzen von reinen MHI gegebenenfalls nicht18. Nachgewiesen ist je­doch der positive Effekt regelmäßiger professio­neller Prophylaxemaßnahmen bei Patienten mit Parodontitis im Sinne einer UPT8,19,20. Dies trifft für einen großen Anteil der Bevölkerung zu, da nach der DMS V 50 % der Erwachsenen an einer Parodontitis erkrankt sind, in der Altersgruppe der jüngeren Senioren (65­ bis 74 ­jährige) – wie be­reits oben erwähnt – sogar 65 %1.

Auch der Nutzen einer präventiven PZR (in Verbindung mit MHI!) scheint plausibel. Die Pa­tienten werden regelmäßig betreut, unterwiesen und weisen weniger Plaque auf. Der Zusammen­hang zwischen dem Vorhandensein von supragin­givaler Plaque und der Entstehung einer Gingivitis ist schon lange belegt21. Ebenso ist belegt, dass die Gingivitis ein Vorläufer der Parodontitis ist22.Außerdem konnte in einer Langzeituntersuchung über 26 Jahre nachgewiesen werden, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Zahns sinkt, je höher der Gingivaindex ist23. Insofern besteht neben der direkten (UPT) auch eine indirekte Evidenz für die PZR.

Ein wissenschaftlich fundierter PZR­Ablauf muss aufgrund dieser Überlegungen auf jeden Fall eine ausführliche MHI beinhalten sowie pa­tientengerecht und risikoorientiert individualisiert werden. Im Folgenden wird der PZR­Workflow des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums (ZFZ) Stuttgart dargestellt.

Praktische Durchführung der professionellen Zahnreinigung und der Mundhygieneinstruktion

Die häufigsten Erkrankungen in der Mundhöhle – Karies, Gingivitis und Parodontitis – sind biofilm­induziert. Im Zentrum der professionellen Betreu­ung steht daher die Beseitigung des bakteriellen Biofilms und harter Ablagerungen.

Die Leistungsbeschreibung GOZ­Nr. 1040 „Professionelle Zahnreinigung“ der aktuell gülti­gen Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ) lau­tet: Die Leistung umfasst „das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn­ und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridie­rungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied“.

Obwohl die Leistungsbeschreibung der PZR dies nicht beinhaltet, hat sich im Praxisalltag eine erweiterte Vorgehensweise bewährt: Als obligato­risch für eine individualisierte nachhaltige Biofilm­kontrolle sehen wir in Übereinstimmung mit der oben beschriebenen Literatur die Notwendigkeit einer regelmäßigen zahnärztlichen Befundung, die Ermittlung der patientenspezifischen Risiko­faktoren sowie eine kontinuierliche Motivation und Instruktion!

Es ist Aufgabe des gesamten zahnärztlichen Teams, dem Patienten verständlich zu machen, dass eine lebenslange Betreuung zum Erhalt der parodontalen Gesundheit erforderlich ist.

Der Ablauf einer professionellen Prophylaxe­einheit („Prophylaxestunde“) in unserer Praxis lässt sich in folgende Abschnitte gliedern:

  • Anamnese, zahnmedizinische Untersuchung, Erstellung von Indizes,
  • Motivation und Instruktion,
  • Entfernung harter und weicher Ablagerungen (supragingival/gingival),
  • Kontrolle und Fluoridierung,
  • Terminvergabe

Abbildung 1 zeigt die in der Regel hierfür benö­tigte Grundausstattung.

Anamnese, zahnmedizinische Untersuchung, Erstellung von Indizes

Zunächst sollte der Patient grundsätzlich zu beste­henden Beschwerden oder allgemeinmedizini­schen Veränderungen befragt werden.

Abb. 3a Situation vor dem Anfärben mit Plaquerevelator.

Abb. 3b Situation nach dem Anfärben mit Plaquerevelator.

 

Nachfolgend wird der aktuelle Mundhygiene­zustand und der Entzündungsgrad mithilfe von entsprechenden Indizes ermittelt. Hier haben sich der modifizierte Sulkus­Blutungs­Index24 und der Approximalraum­Plaque­Index25 bewährt. Bei Patienten, bei denen bisher keine Parodontitis dia­gnostiziert wurde, ist ein regelmäßiges Screening mithilfe des Parodontalen Screening­Index (PSI) unumgänglich, um frühzeitig ein gingivales oder parodontales Problem zu erkennen.

Anhand der erhobenen Befunde wird der Pa tient im nächsten Schritt remotiviert und re­instruiert (Abb. 2). Hier sollte auf ein Lob nicht verzichtet werden, um den Patienten nicht dauer­haft zu demotivieren.

Der Einsatz eines Plaquerevelators ist von Vor­teil (Abb. 3)26. Dieser macht dem Patienten wie auch dem Prophylaxeteam den meist nicht sofort zu erkennenden Zahnbelag sichtbar und dient bei der folgenden professionellen Biofilmentfernung zur Qualitätssicherung. Der Einsatz von flüssigen Re­velatoren hat sich bewährt, hier sollten zunächst die Lippen mit Vaseline isoliert werden. Der zusätz­liche Einsatz eines Lippenretraktors ist hilfreich.

Motivation und Instruktion

Die regelmäßige häusliche mechanische Entfernung des mikrobiellen Biofilms ist der entscheidende Faktor für eine nachhaltige Mundgesundheit.

Abb. 4 Anwendung unterschiedlicher Zwischenraumbürsten.

Laut der aktuellen S3 ­Leitlinie „Häusliches me­chanisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“ sollte dem Patienten, unabhängig vom verwendeten Zahnbürstentyp (Handzahnbürste – elektrische Zahnbürste), eine Bürstdauer von zweimal täglich zwei Minuten empfohlen werden27.

Generell ist eine Bürste mit kleinem Kopf zu empfehlen, um auch schwer zugängliche Bereiche zu erreichen. Wichtiger als die Fokussierung auf eine Putztechnik ist allerdings die Etablierung ei­ner Putzsystematik, um reproduzierbar möglichst viele Regionen der Mundhöhle zu erreichen.

Unverzichtbar ist der zusätzliche Einsatz von Hilfsmitteln zur Interdentalraumreinigung. Hier sollten aufgrund nachgewiesener besserer Wirk­samkeit bevorzugt Zwischenraumbürsten ver­wendet werden (Abb. 4)27. Um einen möglichst effizienten Einsatz zu gewährleisten, ist eine regel­mäßige Instruktion und Anpassung der entspre­chenden Bürstengrößen unerlässlich.

Bereiche, die für Zwischenraumbürsten nicht zu­gänglich sind, sollten mit Zahnseide gereinigt werden.

Im Vergleich zum Zähneputzen mit der Bürste allein hat der Einsatz von Zahnpasten keinen zusätzlichen Effekt bei der Gingivitisreduktion. Aus kariologischer Sicht ist der Einsatz von fluorid­haltigen Zahnpasten allerdings empfehlenswert. Bei freiliegenden Wurzeloberflächen und/oder Hypersensibilitäten sind Zahnpasten mit desensi­bilisierenden Inhaltsstoffen oder mit erhöhtem Fluoridgehalt (rezeptpflichtig) von Vorteil.

Implantate sollten auf dieselbe Weise wie der natürliche Zahn vom Patienten gereinigt werden27.

Entfernung harter und weicher Ablagerungen (supragingival/gingival)

Abb. 5 Anwendung eines Scalers am Retainer.

Die Kombination aus maschineller und manueller Instrumentation ist ein effizientes Vorgehen zur Entfernung mineralisierter Ablagerungen.

Da die Leistungsbeschreibung der professionellen Zahnreinigung (1040 GOZ) ausschließlich die supragingivale/gingivale Entfernung von Belägen vorsieht, ist bei der Handinstrumentation der Einsatz von Scalern ausreichend (Abb. 5).

Bei der maschinellen Instrumentation kann – in Abhängigkeit von Art (Härte) und Menge der Ablagerungen – zwischen der Schall- und der Ultraschalltechnologie (piezoelektrisch/magnetostriktiv) gewählt werden, wobei die Ultraschalltechnologie zu glatteren Oberflächen führt28,29.

Abb. 6 Zahnseide zur Interdentalraumpolitur.

Im Anschluss werden alle Zwischenräume mit Zwischenraumbürsten oder Zahnseide gereinigt (Abb. 6).

Zur Entfernung des Biofilms/nicht mineralisierter Beläge rückt die Pulverstrahltechnik immer mehr in den Fokus, da hiermit eine sehr effiziente und trotzdem gewebeschonende Entfernung der Beläge möglich ist.

Abb. 7a und b Anwendung eines Pulverstrahlgeräts supragingival.

Die Wahl des richtigen Pulvers ist von entscheidender Bedeutung: So kann mit den wenig abrasiven Glycin-, Trehalose- oder Erythritolpulvern eine besonders schonende Biofilmentfernung auf der gesamten erreichbaren Zahnoberfläche ohne kritischen Substanzverlust bis zu einer Sondiertiefe von etwa 5 mm mit den üblichen Handstücken erreicht werden (Abb. 7)30. Glycinpulver ist aktuell am besten untersucht, zu Erythritol- und Trehalosepulvern liegen derzeit kaum Publikationen vor. Eryhtritol wird als Glycinäquivalent mit ähnlichen Eigenschaften angesehen31. Möglicherweise entsteht nach dem Einsatz von Eryhtritolpulver eine Oberfläche, die die bislang übliche Abschlusspolitur mit einer Polierpaste überflüssig machen könnte32. Hochabrasive Pulver auf der Basis von Natriumbicarbonat, Aluminiumhydroxid oder Calciumcarbonat sollten hingegen ausschließlich supragingival auf intaktem Zahnschmelz eingesetzt werden33. In unserer Praxis kommen diese Materialien gar nicht mehr zum Einsatz.

Kontrolle und Fluoridierung

Neben der eingehenden Abschlusskontrolle gehört die Applikation eines fluoridhaltigen Präparats für einen nachhaltigen Kariesschutz und/oder zur Therapie von Überempfindlichkeiten zum Leistungsumfang der Position 1040. Bei uns kommt aufgrund der überlegenen Langzeitwirkung in der Regel ein Fluoridlack zum Einsatz.

Terminvergabe

Im Idealfall verlässt kein Patient ohne neuen (Prophylaxe-) Termin die Praxis. Je nach Risiko empfiehlt sich ein Intervall von 6–12 Monaten, wobei bei Parodontitispatienten in der UPT das Intervall kürzer ist. Jeder PZR-Termin wird bei uns stets in Verbindung mit einer zahnärztlichen Untersuchung/ Kontrolle terminiert, auch um die Grundsätze der Delegation zu berücksichtigen34,35.

Fazit für die Praxis

Die Datenlage zur Notwendigkeit einer prophylaktischen Zahnreinigung und deren erforderlicher Häufigkeit ist nicht eindeutig18. Der Nutzen einer optimalen Mundhygiene ist jedoch unbestritten36,37.
Sie wird jedoch ohne externe professionelle Hilfe nur von einem sehr kleinen Anteil der Bevölkerung erreicht; somit profitiert die Mehrzahl der Patienten von einem individualisierten Prophylaxeprogramm, das Faktoren wie die Qualität der Mundhygiene, individuelle Plaquenischen und Schwachstellen, anamnestische Hintergründe wie familiäre Häufung und individuelle Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes usw. berücksichtigt.
Die PZR sollte immer mit einer MHI gekoppelt werden18. Eine alleinige MHI erscheint trotz vorhandener Evidenz in vielen Fällen aus praktischer Sicht nicht ausreichend, falls beispielsweise bereits mineralisierte Auflagerungen oder Erkrankungen wie Gingivitis bestehen. Durch die PZR können so Mundhygienedefizite kompensiert und wieder die Voraussetzungen (Hygienefähigkeit!) für eine optimale häusliche Mundhygiene geschaffen werden.

Die regelmäßige Betreuung bietet weitere Vorteile, sofern sie auch ein regelmäßiges sorgfältig durchgeführtes parodontales Screening unter Verwendung einer Parodontalsonde beinhaltet:
Parodontale Erkrankungen werden früher erkannt und die Entwicklung schwerer Erkrankungsformen aufgrund rechtzeitiger Therapie vermieden.

Falls bereits eine Parodontitis vorliegt, hat sich ein nach individuellem Risiko und Befund modifiziertes Vorgehen in der UPT bewährt38 – Parodontitispatienten sollten zeitlebens betreut werden10,20.

Für die Praxis macht es Sinn, Patienten den Unterschied zwischen PZR, MHI und UPT darzustellen und individuell das optimale Maßnahmenpaket zu schnüren.

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